Der Mönch Antonius erzählt...

Im Jahre 1207 wird im Nordwestwinkel der Oberstadt von Mühlhausen ein Hospital gegründet - Von der Stadt selbst und nicht, wie sonst damals üblich, von kirchlichen Orden. Was ziemlich verrückt war, denn wie konnten die Leute nur denken, dass weltliche Leute Menschen heilen könnten, denen Gott wegen ihrer Sünden den Rücken gekehrt hatte!? Immerhin hatten sie aber verstanden, dass es ohne Kirche und Pastor nicht gehen würde.

Zwei Jahre später, in den Jahren 1209/10 gründet Franziskus von Assisi den Orden der Franziskaner. Noch niemand wusste, dass die Geschichte des Ordens und des Hospitals für immer eng verbunden sein würde.

Denn schon im Jahre 1225 fanden sich Ordensbrüder der Franziskaner in Mühlhausen ein, darunter auch ein Mönch namens Antonius, der hier ein neues Zuhause finden sollte. Hören wir, was er erzählt:

"Schon als wir mit unserer kleinen Gemeinschaft in Mühlhausen einmarschierten, überkam mich ein überwältigendes Gefühl, dass diese Stadt mit ihrer Schönheit und ihrer unvergleichliche Atmosphäre ein Ort der Ruhe meines langen Lebens sein könnte. Meine Gruppe und ich wurden in den nassen und dunklen Gewölbekellern eines Hospitals untergebracht. Die Keller waren zu klein für unsere Gruppe, so dass wir sehr eng beieinander lagen. Selbst in den kalten Jahreszeiten wurde die Luft warm und stickig, dass das Atmen einem immer schwerer fiel. Nicht dass es mir in den Sinn gekommen wäre den Bewohnern des Hospitalgeländes ihre wunderbare Lebensumgebung zu neiden! Wir waren zufrieden mit dem Platz, den Gott uns zugewiesen hatte, um in Demut den Menschen zu dienen.


Unsere Arbeit war es nun, ein Haus auf dem Gelände des Hospitals zu errichten, doch kaum hatten wir unsere Arbeit begonnen, wurden wir zum Abt gerufen. Dieser wollte uns auf eine neue Mission schicken. Ich aber wollte mir meinen Platz, den ich für mein Sein gewählt hatte, nicht mehr nehmen lassen. So überzeugte ich den Abt, dass es unsere Aufgabe sei, den Glauben auch nach Mühlhausen tragen zu müssen. Wir trafen sämtliche Vorbereitungen, um in Mühlhausen ein neues Kloster zu eröffnen, und voller Hoffnungen machten wir uns auf den Weg. Zu meiner Freude wurden wir wieder im Antoniushospital beherbergt. Wir begannen sofort und guten Mutes mit dem Bau unseres Klosters am Untermarkt. Doch ich spürte, dass meine Lebenskräfte langsam schwanden. Mein Wunsch war es im Hof des Hospitals meine letzte Ruhestätte zu finden. Dieser Wunsch wurde mir auch erfüllt, jedoch anders als ich es mir vorgestellt hatte. Auf meinem Sterbebett liegend merkte ich, dass mein Geist sich nicht von diesem Orte trennen wollte. Er löste sich von meinem Körper und von nun an schwebte mein Geist für immer über das Gelände. Ich beobachtete alles Geschehen, das sich im und um das Hospital ereignete. Meine Ordensbrüder zogen nach einem Jahr auf einen anderen Hof, um von da aus das Kloster weiter zu vollenden.


Auf dem Hospitalgelände war man weiter fleißig. Im Jahre 1240 wurde begonnen, eine Kapelle für das Hospital zu bauen. Ich war begeistert und erkor mir deren Dachstuhl als meine neue Wohnstätte aus. Dreißig Jahre später wurde ich in meiner Ruhe dort oben von erneutem Baulärm gestört, die Kirche musste verlängert werden, da die Anzahl der Hospitalbewohner immer mehr anwuchs. Bis zur Jahrhundertwende hatte ich meine Ruhe, aber dann wurde die Sakristei angefügt.


Auf dem Hospitalgelände war man weiter fleißig. Im Jahre 1240 wurde begonnen, eine Kapelle für das Hospital zu bauen. Ich war begeistert und erkor mir deren Dachstuhl als meine neue Wohnstätte aus. Dreißig Jahre später wurde ich in meiner Ruhe dort oben von erneutem Baulärm gestört, die Kirche musste verlängert werden, da die Anzahl der Hospitalbewohner immer mehr anwuchs. Bis zur Jahrhundertwende hatte ich meine Ruhe, aber dann wurde die Sakristei angefügt.


1348 und 1356 brach leider in Mühlhausen die Pest aus. Im Hospital herrschte ein reger Betrieb, da die Kranken versorgt werden mussten. Es kamen auf einmal jedoch auch viele Leute aus Mühlhausen, die hier zum Gottesdienst gingen. In der Zeit von 1357- 1362 war unsere Kirche die einzige in Mühlhausen, in der Gottesdienste gehalten wurde. Denn der Rat der Stadt und der Deutsche Orden, der das Pfarrecht über alle Kirchen der Stadt außer der St. Antoniuskapelle innehatte, eine Auseinandersetzung hatten. Es ging um das Läuten der Totenglocken, dass zu Zeiten der Pest wirklich beängstigend sein konnte: Der Rat wollte dies dem Deutschen Orden verbieten, daraufhin wurden dann das Interdikt, der Kirchenbann und die Reichsacht über Mühlhausen verhängt. Das heißt, es durften keine kirchlichen Amtshandlungen gehalten werden. Auch die Friedhöfe waren entweiht und so wurden in dieser Zeit alle Menschen, die im Hospital starben, auch hier auf dem Hof beerdigt.


Bis 1522 wurde mir die Zeit so lang, dass ich mich doch tatsächlich zu einem kleinen Scherz hinreißen ließ. Es gab einen Priester in diesem Hospital, der mir sehr unsympathisch war. Also verleitete ich ihn durch Träume, die ich ihm schickte, zu einem Bruch seines Keuschheitsgelübdes. Der Pfarrer Johann Grieselbach buhlte mit eines Bürgers Weib und ließ es sogar nachts durch ein Loch, welches er in eine Wand schlug, in das Hospital einsteigen. Der Arme musste dem Ehemann eine Entschädigung zahlen und wurde aus der Stadt verwiesen, bis er sich wieder mit dem Rat vertrug.


Zur gleichen Zeit passierte etwas Unerhörtes in der Stadt. Ich hatte schon seit langem mit Schmerz beobachtet, dass die Bürger sich den oberen Herren, dem Rat, ihren Feudalherren oder Fürsten unterwarfen und nicht frei ihr Leben leben konnten. Diese weltlichen Herren missbrauchten zu ihren Zwecken die Bibel, indem sie sie zu ihrem Vorteil auslegten. Sie nutzten aus, dass die Bürger den lateinischen Bibeltext nicht selbst lesen konnten. Nun aber hatte ein gewisser Martin Luther sich für die Menschen die Mühe gemacht, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen, ganz hier in der Nähe, in der Wartburg. Mit großer Freude durfte ich beobachten, dass nun einige Pfarrer gegen die Ungerechtigkeiten der Obrigkeit predigten. Einige Bürger nahmen sich die Worte zu Herzen und erreichten drei Jahre später sogar, dem Rat etwas von seiner Macht zu nehmen. Aber dann kam ein Mann namens Thomas Müntzer, der das Volk zu einem Aufstand aufrief. Davon ließen sich die Bürger leider auch beeinflussen und es kam zu einem Aufstand mit Gewalt und Waffen. Heute wird er Bauernkrieg genannt. Dieser scheiterte und danach fing die Unterdrückung von vorne an. Zum Glück jedoch nicht lange, denn bald darauf wurde die "Reformation" erneut eingeführt. Danach kehrte erst einmal wieder Ruhe in Mühlhausen ein.


1618 brach ein Krieg aus. Einige Staaten und Fürsten wollten sich zur neuen, reformierten Religion bekennen, andere dem alten katholischen Glauben treu bleiben. Keiner wusste, dass dieser Krieg nahezu dreißig Jahre dauern sollten. Auch wir in Mühlhausen bekamen die Auswirkungen zu spüren. Viele Armeen, sächsische, schwedische, französische, marschierten durch Mühlhausen oder bezogen hier Quartier. Eines Tages waren schwedische Reichsräte in Mühlhausen, die am Tag ihrer Abreise doch tatsächlich Geld vom Antoniushospital forderten und zu Gewalt griffen. Aber mutige Bürger wiesen ihnen mit Waffen das Tor.


Dann passierte die größte Katastrophe. Im Jahre 1649, am 3. April, entstand ein Brand in der Holzgasse. Er schlug auf das ganze Viertel über und alles, mitsamt dem Hospital brannte nieder. Ich sah hilflos zu und musste mit ansehen, wie in einem der Keller des Hospitals eine Magd verbrannte, die allerdings selbst Schuld war, da sie aus Geiz bei ihrem Geld schlief. Eine dicke Frau tat mir so schrecklich leid. Sie saß in einer Ecke und konnte sich wegen ihrem Gewicht nicht rühren. Durch große Willensanstrengung konnte ich das Feuer vor ihr Halt machen lassen. Das Hospital konnte ich nicht retten, auch mein geliebtes Zuhause wurde vernichtet. Sieben Jahre lang hatte ich keinen Ort, an den ich mich zurückziehen konnte, bis die Kirche und das Hospital wieder neu errichtet wurden. Zu meiner Freude wurde die Kirche 1660 (oder war es fünf Jahre später?) neu geweiht. Sie diente aber nicht mehr allzu lange als Gotteshaus, denn 1761, während des Siebenjährigen Kriegs, wollten die Franzosen die Stadt in eine Festung verwandeln. Das bekam auch das Hospital zu spüren. Die Fenster, Türen und das Hospitaltor wurden zugemauert und mit Palisaden gesichert. In der Kirche wurde Stroh gelagert. Ich bekam es mit der Angst zu tun, als ich eines Tages alle Ausgänge verschlossen sah, aber Stein ist ja für mich kein Hindernis...


Zwei Jahre später passiert doch tatsächlich etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte in einem Gotteshaus. Ein Einbruch! Bei meinem nächtlichen Rundgang hörte ich Geräusche in der Kirche. Als ich sah, was dort geschah, nahm ich alle meine Willenskraft zusammen und sandte der nächstbesten Person meine Gedanken zu. So konnten die Täter, die doch tatsächlich 962 Taler gestohlen hatten, durch einen Zeugen gefasst werden und erhielten ihre gerechte Strafe.


Schon bald wurde meine Freude über die Gottesdienste unter meinem Dach wieder getrübt: 1820 war die Kirche schon wieder ein Strohlager.


Drei Jahre später wird das Hospital ein Heim für altersschwache und hilfsbedürftige Leute. Die Kirche wird nur noch als Turnsaal oder später als Speisesaal genutzt. In dieser Atmosphäre fühlte ich mich jedoch sehr wohl, da ich mich mit den alten Leuten sehr verbunden fühlte.


Aber auch dies sollte nicht so bleiben. Eins Tages wurde ich durch ein schreckliches Getöse aus meinen Gedanken gerissen. Die Denkmalpflege der Stadt Mühlhausen hatte in der Kirche ihre Schreinerei eingerichtet. Aus war es mit der Ruhe.


2003 kam jedoch ein Herr in das Hospital, der erst einmal die Kirche, worüber ich mich am meisten freute, und auch die anderen Gebäude wieder herrichtete. Hospital? Altersheim? Oder? Ich konnte es nicht erahnen, bis eines Tages eine Gruppe junger Menschen in das Hospital zog. Sie blieben aber nur für kurze Zeit, was mich sehr erstaunte. Der Vorgang wiederholte sich mit den verschiedensten Gruppen. Da wurde mir klar, dass das Hospital nun ein Ort ist, an dem sich viele Menschen treffen, um einander zu begegnen und Freude aneinander zu finden."


Euer Antonius


...dessen Geisterhand die Hand von Katharina Esser lenkte, die diesen Bericht im Rahmen ihres freiwilligen Jahres in der Denkmalpflege zu Papier brachte.